Streiten
Wie kann man richtig miteinander streiten?
http://www.pickupforum.de/topic/24596-streiten-fur-dummies/Ich vermute, die meisten Beziehungen enden nicht mit einem Knall, etwa wenn einer etwas ganz ganz Dummes macht, sondern mit konstantem Streit, der irgendwann unerträglich wird. Wer jeden Streit gleich eskalieren lässt, persönlich nimmt, nicht empathisch reagiert, der wird sich irgendwann wieder alleine vorfinden. Erwachsener, reifer und menschlicher Streit ist wichtig für eine Beziehung.
Manchmal ist Streiten wie Krieg führen: Man bezieht Stellung, bombardiert sich mit Vorfwürfen, drängt sich zurück, fällt sich in den Rücken, führt regelrechte Grabenkämpfe, bis am Ende einer kapituliert oder flüchtet.
Männer und Frauen streiten anders. Wer mit seinen Mädels so umgeht mit seinen Kumpels, wird schnell auf Widerstand stoßen. Grenzen werden anders gesetzt, der Streit zielt auf andere Ergebnisse ab, bewährte Strategien zur De-eskalation wirken nicht mehr. Um sich mit den Kumpels wieder gut zu verstehen reicht es oft, einfach mal ein Bierchen drüber zu trinken oder ne Runde kickern zu gehen.
Jungs schieben in ihren Gesprächen oft nur Informationen hin und her. Und Argumente. Wie beim Quartettspiel. Und wer zum Schluß die meisten Punkte hat, der gewinnt. Das machen Frauen eher selten. Oft streiten sie, um sich mitzuteilen, ihren Gefühlen Luft zu geben und sie auszudrücken. Wer nur auf ihre Argumente, nicht auf ihre Gefühle eingeht, verliert.
Wie aber artikuliert man Gefühle?
Jede Aussage, jeder Kommunikationsversuch hat vier Seiten, vier Aspekte – am Beispiel des Satzes „Das Fenster ist offen“:
Einen Sachaspekt: Das Fenster ist tatsächlich offen.
Ein Selbstoffenbarungsaspekt: Mir ist kalt.
Einen Appellaspekt: Mach doch mal bitte das Fenster zu.
Einen Beziehungsaspekt: Ich kann Dich herumkommandieren.
So kann eine harmlose Nachricht gleich den Versuch einer Machtdemonstration beinhalten – wer kennt das nicht, die Mama sagt: „Zieh Dir was Warmes an, draußen ist es kalt“ und Du antwortest: „Ich kann auf mich selbst aufpassen!!“. Da hast Du auf ihren Beziehungsaspekt, nämlich den Versuch, Dich zu bemuttern und Dich für unselbständig abzustempeln, geantwortet und nicht auf den Sachaspekt. Hier geht es nicht um die Temperatur draußen, sondern darum, dass sie Dich überhaupt darauf aufmerksam macht.
So kann ein Streit schnell entstehen, wenn man die Komplexität der Nachricht außer acht lässt oder die Intention der Nachricht auf einer falschen Ebene versteht:
„Wo warst Du denn heute so lange?“
„Was fragst Du wieder so? Willst Du mich wieder kontrollieren?“
Wenn die erste Frage nur neugierig gemeint war und nicht so anklagend, wie sie verstanden wurde, dann wird sich die fragende Person verletzt fühlen, den Anderen als empfindlich oder aggressiv wahrnehmen und beim nächsten Mal vorsichtiger sein oder bei Gelegenheit dem eigenen Frust mit einem „Immer bist Du so fies zu mir!“ Luft machen. Deswegen einer der häufigsten Streitanlässe: „Wie redest Du eigentlich mit mir?“ Dann "übertönt" die Beziehungsebene plötzlich die Sachebene und es geht gar nicht mehr um Themen, sondern nur noch darum, die Beziehung zu formen.
Das häufigste Thema von Streitigkeiten sind Werte bzw. Wertekonflikte. Auch wenn es sich an der Oberfläche um etwas ganz anderes dreht:
* Oberfläche: „Immer bist Du mit Deinen doofen Kumpels unterwegs!“ → Zugrundeliegender Wertekonflikt: „Deine Kumpels bedeuten Dir anscheinend mehr als ich und das verletzt mich!“
* „Immer schläfst Du vor dem Fernseher ein!“ → „Ich bin Dir nicht mehr wichtig genug!“
* „Ich will nicht wieder nach Mallorca fahren! Wir waren schon letztes Jahr dort!“ → „Immer entscheidest Du, was wir machen! Ich will nicht immer nur nach Deiner Pfeife tanzen!“
Solche Wertekonflikte sind kaum zu vermeiden. Doch sie müssen erkannt und diskutiert werden. Frauen bringen ihre Kritik oft auf diese indirekte Weise hervor. Wenn der Mann statt dessen nur die Coolness seiner Kumpels oder die Gemütlichkeit der Couch oder die Vorteile des Ballermanns verteidigt, dann verfehlt er den eigentlichen Punkt und die Frau fühlt sich unverstanden. Der Frust staut sich dann an, wenn der eigentliche Wertekonflikt wieder an anderer Stelle ausbricht und sich unter einer anderen Oberfläche versteckt – etwa wenn der vor dem Fernseher einschlafende Kerl sich dann auch noch mehr um die neue Katze als um seine Frau kümmert und sie ihm dann dieses vorwirft. Er sieht den Zusammenhang zwischen beiden Problemen nicht und hält ihr vor, irrational und emotionsgesteuert zu sein, und dabei handelt es sich um „normale“ zwischengeschlechtliche Kommunikationsprobleme.
Tip: Wie so oft, Grenzen setzen. Bestimmte Bereiche seines Lebens kann jeder Partner völlig selbst bestimmen. Der eine darf die Garage nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten, der andere darf entscheiden, was er Freitag abend macht. Ebenso hat die Frau ihre Freiräume, in die der Mann nicht reinzureden hat. Wenn keine Grenzen gesteckt sind, kann auch über alles gestritten werden. Aber auch in einer Beziehung muss nicht alles diskutabel sein.
Männer und Frauen gehen unterschiedlich mit Beziehungsproblemen um.
Das Stichwort ist hier, wie so oft, Empathie. Also die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzufühlen. Und die zugrundeliegenden Gefühle herauszufinden.
Wenn Männer dann dagegen nur ganz unempathisch Recht behalten wollen, nur auf den Sachgehalt der Aussage eingehen, dann reden sie an der Frau vorbei. Oder unterbrechen sie sogar: Wozu ausreden lassen, wenn ohnehin klar ist, was sie will? Doch mit einer Unterbrechung kommuniziert man auf der Beziehungsebene nur wieder ein Ungleichgewicht in der Beziehung und die Frau fühlt sich disrespektierlich behandelt.
Männer haben dafür oft den Eindruck, dass es Frauen schwer fällt, ein wichtiges Thema nüchtern und unpersönlich abzuhandeln. Sie distanzieren sich oft auch von den Ideen, die ihnen am Herzen liegen. Frauen haben viele Ideen verinnerlicht und können eine sachliche Kritik an dieser oft persönlich nehmen. Männer dagegen nehmen kleinere Meinungsverschiedenheiten oft überhaupt nicht ernst und leben spielerische Konkurrenzkämpfe darüber aus.
Kurz zusammengefasst: Frauen drücken sich aus, Männer bringen Argumente vor. Frauen wollen verstanden und akzeptiert werden, Männer Probleme lösen. Nur weil das ein Klischee ist, so ist es nicht deshalb noch lange nicht unwahr.
Tip: Du sagst Deine Meinung – aber erst, wenn Du einmal genau hingehört hast, was sie Dir eigentlich wirklich sagen will. Meist spielt es dann schon keine Rolle mehr, ob Du wirklich faktisch Recht hast oder nicht. Etwa: "Mama, ich weiß dass es draußen kalt ist und ich weiß, dass Du Dich um mich kümmern möchtest. Aber Du weißt auch, dass ich mittlerweile alt genug bin, um mich selbst um meine Kleidung zu kümmern."
Männer aber halten das Problem irgendwann für gelöst oder sehen einfach kein Problem und ziehen sich aus dem Streit zurück. „Was will die Alte eigentlich von mir, die hat doch gar kein wirkliches Problem? Es hat ihr doch auf Mallorca gefallen!“ Dabei haben sie das eigentliche Problem oft gar nicht gesehen. Frauen erleben das als frustrierend, weil der Mann sich dann aus dem Gespräch zurückzieht oder aufhört, sie ernst zu nehmen. Sie bringen ihre Probleme auch oft nicht in einer Weise vor, die Männer leicht verstehen.
Tip: Man(n) kann das oft lösen, indem er auf ihre Gefühle eingeht, ohne auf die bloß oberflächlichen Argumente. Und indem er bereit ist, die eigene Wirkung auf die Frau von den eigenen Überzeugungen zu trennen: „Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass Du Dich schlecht fühlst“ kann man durchaus von „Ich habe unrecht“ trennen, das eine ohne das andere sagen und ohne den Frame zu verlieren und inkohärent zu sein. So spart man sich einiges an Streit. Aber lass nicht zu, dass Dein Gegenüber mit irgendwelchen vorgeschobenen Gründen seinen oder ihren Frust an Dir auslässt!
Manche Themen sind für manche Menschen unterschiedlich wichtig.
Manchmal sieht auch nur einer der Partner ein Problem, während der andere sich denkt: Stell Dich doch nicht so an, das macht doch nix. Beispielsweise krümelt A beim Frühstück immer ins Bett, was ihm selbst nichts ausmacht, dem sensibleren B aber schlaflose Nächte beschwert. Dabei muss A das Problem aus B-Sicht nachvollziehen können und nicht sein eigenes Empfinden als Maßstab nehmen. Und B muss das Problem so vermitteln, dass sich A nicht gleich beleidigt fühlt, weil in diesem Fall etwa das Gespräch schnell zu einem gegenseitigen Vorwerfen von Unempfindlichkeit bzw. Überempfindlichkeit führen kann.
Viele Menschen haben dabei die problematische Angewohnheit, jede Kritik an dem Verhalten eines Menschen auf ihn selbst zu übertragen. Aus: "Du hast das Bett vollgekrümelt" wird dann: "Du bist immer so schlampig." Aus: „Du hast einen Fehler gemacht“ wird dann: „Du bist ein Versager.“ Dabei macht es oft einen Unterschied, wie man die Gefühle kommuniziert – ob man über den Anderen redet oder über die eigenen Gefühle, die der andere ausgelöst hat: „Diese Bemerkung hat mich verletzt!“ wird dann zu: „Du bist gemein!“ Wer seine Kinder so erzieht, kann schwere neurotische Störungen herbeierziehen. Wer sich dem Partner gegenüber so verhält, der wird ihn oft auf eine Weise emotionalisieren und in die Verteidigung drängen, dass eine sachliche Debatte über die Fehler und ihre Korrekturmöglichkeiten kaum mehr möglich ist.
Tip: Was auch immer geschieht, es ist nie das Gegenüber, das als Person bzw. in Gänze falsch / böse / dumm ist, sondern jede Kritik kann sich sinnvollerweise nur auf die Handlungen des Partners beziehen. Was liegt es an uns, über andere Menschen zu urteilen, statt über ihre Handlungen?
Tip2: Vermittel ein Problem so, dass der andere es analog zu seinen eigenen Maßstäben versteht. Etwa: "Schau, es gibt Dinge, auf die wir unterschiedlichen Wert legen. Etwa möchtest Du immer, dass die Soundqualität beim Musikhören optimal ist. Mich stört ein bißchen Hintergrundrauschen nicht, Dich macht das immer unruhig und Du musst dann solange am Radio rumfummeln, bis das Rauschen weg ist. Und so geht es mir mit den Brötchenkrümeln: Dich stören die nicht, aber ich fühle mich unwohl dabei und ich fange dann an, mich rumzuwälzen."
Überhaupt, über manche Themen kann man kaum sachlich streiten:
Unterschiedliche Themen erfordern eine unterschiedliche Sensibilität, weil sie unterschiedlich tief in unserer Persönlichkeit, unserem Lebensentwurf oder unseren Wertehierarchien verankert sind. Wenn es darum geht, ob sich die Anschaffung eines iPhones lohnt, ob Mercedes besser ist als BMW oder ob Francis Bacon wirklich Shakespeare war, ist es völlig egal, ob die Streitenden hetero, bi oder homo sind, Christ oder Moslem oder Atheist, Mann oder Frau, alt oder jung. Das ist bei Themen wie Erziehung, Abtreibung, persönliche Freiheit, Treue, Ernährung, Religion, Menschenrechte, Verhältnis zum anderen Geschlecht uvm. anders. Bei solchen Themen geht es extrem schnell ans Eingemachte und diese kann man oft kaum von der eigenen Person und den eigenen Werten trennen. So wird eine sachlich geäußerte Aussage schnell zu einer Kritik an dem, was anderen Menschen wichtig ist. Weil man einen Orientierungspunkt angreift, an dem der Andere eventuell wichtige Teile seines Lebens orientiert hat.
Tip: Gebt dem Gegenüber immer das Gefühl, dass ihr sie trotz aller Differenzen ernst nehmt und ihren Standpunkt versteht. Man kann einer solchen Diskussion auch ausweichen, indem man auf eine praxisorientierte Meta-ebene wechselt: „Wir haben beide unterschiedliche Standpunkte und ich glaube nicht, dass Du mich überzeugen kannst – ebensowenig wie ich Dich. Wir sind also gewissermaßen festgefahren. Was machen wir jetzt damit?“ Und indem man Gemeinsamkeiten betont.
Ein Streit ist nicht dann vorbei, wenn er vorbei ist.
Streitigkeiten können lange Wirkungen haben, besonders dann, wenn das eigentliche Thema noch gar nicht zur Sprache gekommen ist. Dann heißt es beispielsweise irgendwann: „Du nimmst mich gar nicht ernst!“, obwohl der Kerl hat den Eindruck hatte, es ginge die ganze Zeit nur um irgendwelche Dinge, die mit ihr gar nichts zu tun haben.
Tip: Ein Streit kann nachbesprochen werden. Was ist eigentlich passiert? Warum sind wir eigentlich so emotional geworden? Hatten wir beide eigentlich das Gefühl, es ging um das gleiche Thema? Es ist durchaus fair, wenn jeder einmal ganz ruhig schildert, was aus seiner Perspektive passiert ist. Meistens fühlte sich eh nur jemand angegriffen, obwohl das gar nicht so gemeint war. Dadurch verringert man die Gefahr, dass manche Konflikte unter der Oberfläche schwelen und irgendwann explodieren.
Die Emotion macht die Musik.
Beim Streit findet ab einem bestimmten Punkt ein Machtspiel statt: Man wirft sich gegenseitig abwertende Sätze an den Kopf und versucht, sich zu demütigen oder zu verletzen. Dann haben sich meist die Fronten eh schon so verhärtet, dass es gar nicht mehr um das eigentlich auf der Oberfläche besprochene Argument geht, sondern nur noch um Emotionen. Die Stimme macht die Musik: Allein schon diese anzuheben, kann die Stimmung aufheizen. Schlimm wird es, wenn der Sachgehalt einer Aussage sich nicht mehr mit dem Tonfall deckt: „Oh, natürlich hast Du Recht! Wie immer!“ und man sich dann auf den Sachgehalt der Aussage beruft, um sich unangreifbar zu machen: „Wieso, ich habe Dir doch Recht gegeben!“ Das ist eine Strategie, durch eigene Inkohärenz unangreifbar zu sein, die einfach nur verletzend und unsachlich ist.
Tip: Niemals die Kontrolle verlieren. Wer einen Wutanfall bekommt, Dinge kaputtmacht oder vulgär wird, hat automatisch verloren. Und er hat automatisch die gefühlte Schuld an allem. Wer bemerkt, dass er die Kontrolle verliert: Freeze out. „Ich bemerke, dass ich gerade sehr unsachlich werde. Lass uns ein anderes Mal darüber sprechen.“ Und dann beherrscht aus dem Raum gehen und leise die Tür hinter sich zu machen. So behältst Du die Kontrolle und sie wird sich zumindest eine Teilschuld geben – und mit einiger Wahrscheinlichkeit liegt sie Dir kurz danach wieder heulend in den Armen.
Tip2: Manchmal werden „Bomben“ geworfen, die einfach nur verletzen sollen. „Du hast mich eh nie wirklich befriedigt!“ ist etwa so eine. "Aus Dir wird ja eh nie etwas!" eine andere. Über die Wahrheit einer solchen Bombe zu diskutieren ist völlig überflüssig – dieser Satz soll einfach nur auf Deine Schwachstellen abzielen und ist nichts als ein Instrument, eine Waffe, die gegen Dich gerichtet ist: Den Sachgehalt kannst Du dabei getrost ignorieren. Besser, die Bombe gleich im Meer versenken, anstelle vorher noch nachzusehen, ob sie scharf oder nicht eher ein Blindgänger ist. Behandle das so, als ob Dich jemand als Schwein bezeichnet hätte - da fragst Du Dich ja auch nicht, ob das stimmt oder nicht.